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Dark Warehouse: Das manuelle Lager – Status quo der Intralogistik (Teil 3).

Bevor wir über ein hochautomatisiertes Dark Warehouse sprechen, lohnt sich ein Blick auf das Fundament der Intralogistik: das klassische manuelle Lager. Es ist bis heute in vielen Unternehmen Standard und prägt den Alltag zahlreicher Logistikzentren.

Das manuelle Lager

Im Mittelpunkt stehen die Mitarbeitenden, die alle Abläufe händisch managen. Neben körperlicher Anstrengung erfordert die Arbeit auch hohe Konzentration und Erfahrung. Denn meist wissen nur wenige, wo sich welche Ware befindet und was als Nächstes zu tun ist. Kommt dann noch Zeitdruck hinzu, weil der Lkw draußen wartet oder ein Kunde kurzfristig bestellt, wird es schnell hektisch.

Typisch für das manuelle Lager:
  • Transportmittel wie Sackkarre, Gabelstapler, Hubwagen (Ameise) oder Hochhubwagen, um Paletten und Kartons von A nach B zu bewegen.
  • Papierlisten oder mobile Datenerfassungsgeräte (MDE) zur Erfassung von Aufträgen und Beständen.
  • Visuelle Orientierung im Lager durch Beschriftungen, Regaletiketten oder Bodenmarkierungen.
  • Kleinteilelager, Fachbodenlager, Palettenlager, Schwerlastregale oder Kragarmregale etc.

Hier ist der Mensch der zentrale Faktor: Mit Erfahrung, Überblick und den richtigen Entscheidungen hält er die Abläufe und Waren im Fluss.

Die Lagerbereiche:
  • Wareneingang: Lieferungen werden auf Richtigkeit, Vollständigkeit, Qualität und Schäden kontrolliert, evtl. aus- oder umgepackt und im System (Excel, Mini-WMS oder ERP-Lagertool) erfasst.
  • Einlagerung: Paletten werden per Stapler in die Regale gestellt. Kartons oder Einzelteile werden beispielsweise mithilfe eines Rollwagens zu den Lagerplätzen gebracht, eingelagert und verbucht.
  • Kommissionierung: Mitarbeitende laufen Pickrouten ab, scannen Artikel und packen sie in Behälter oder auf einen Wagen.
  • Verpackung und Versand: Kartons werden manuell gepackt, verschlossen, etikettiert und zum Warenausgang gebracht.
  • Bestandskontrolle: Inventuren erfolgen oft händisch oder mit mobilen Geräten.
Unternehmen nennen oft Punkte wie diese, wenn es um Argumente für ein manuelles Lager geht:
  • Flexibilität: Menschen können improvisieren und auf unvorhersehbare Situationen reagieren: »Das Teil liegt nicht da, wo es laut System sein sollte – ich find’s schon.«
  • Geringere Investitionskosten: Wir brauchen kein AutoStore, keine Förderanlage oder Roboter, das erledigen unsere Mitarbeiter seit jeher mit Hand und Fuß.
  • Know-how: Viele sehen die Erfahrung der Mitarbeitenden als Vorteil, besonders bei nicht standardisierten Waren oder Abläufen.

Aber wenn man ehrlich hinschaut, dann basieren diese Argumente mehr auf Tradition und Bauchgefühl als auf harten Fakten.

Gründe für ein manuelles Lager und warum sie heute nicht mehr gelten:
1. Argument: Ein manuelles Lager ist flexibler.

Flexibilität war früher ein klarer Vorteil des Menschen – heute nicht mehr. Ein modernes WMS (Warehouse Management System) kann Auftragsströme in Echtzeit priorisieren, Bestände dynamisch umsortieren, Wege optimieren und sogar Sonderaufträge automatisiert einplanen.

2. Argument: Automatisierung kostet zu viel Geld.

Ja, die Investition ist hoch – aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ein manuelles Lager hat hohe Personal- und Fehlerkosten sowie Kosten durch Unfälle und Ausfallzeiten etc. Ein automatisiertes Lager hat sich nach wenigen Jahren amortisiert und ist dann profitabler.

3. Argument: Menschen machen weniger Fehler bei Sonderfällen.

Heutige Systeme sind sensorgestützt, selbstlernend (z. B. KI erkennt Muster und Abweichungen), voll vernetzt mit ERP, FTS, Robotern und Fördertechnik. Die Fehlerquote liegt bei nahezu null. Und wenn doch etwas schiefläuft, erkennt das System den Fehler sofort. Ein Mensch bemerkt den Fehler meist erst, wenn der Kunde reklamiert.

4. Argument: Unsere Mitarbeiter sind erfahrener.

Ein WMS speichert das Erfahrungswissen – zentral, jederzeit abrufbar und skalierbar. Wenn ein erfahrener Mitarbeiter kündigt oder in Rente geht, bleibt sein Wissen im System.

Was ein Mensch dem WMS (noch) voraus hat:
  • Ausnahmesituationen: Wenn der Strom ausfällt, das Internet eine Störung hat, eine ungeplante Wartung/Problem am Automatiklager auftritt oder der Lkw-Fahrer sagt »Ich brauche das sofort«, sind Menschen im Improvisieren ausgezeichnet. Sie können auch ohne vorab definierten Prozess auf die Situation flexibel reagieren.
  • Emotionale Intelligenz: Mitarbeiter können andere Kollegen motivieren, Konflikte lösen und Kunden beruhigen.
  • Sehr kleine Lager mit geringem Warendurchsatz: Hier kann die Investition in Automatisierung einfach überdimensioniert sein. Das stemmen die Mitarbeitenden noch selbst.
Also: Ein manuelles Lager fühlt sich flexibler an, aber sobald es eine gewisse Größe oder Komplexität erreicht, ist ein WMS kombiniert mit Automatisierung schlicht überlegen. Der wahre Vorteil liegt in der Kombination aus WMS plus Mitarbeiter. Die Software bringt Struktur rein und der Mensch managt Wartungen oder Ausfälle.
Herausforderungen des manuellen Lagers

Mit zunehmendem Wettbewerbsdruck und steigenden Kundenanforderungen geraten manuelle Lager immer mehr an ihre Grenzen.

  • Fachkräftemangel: Qualifiziertes Personal für Lagerarbeit ist schwer zu finden. Es fehlen schlichtweg Mitarbeiter, die bereit sind, im Schichtbetrieb körperlich zu arbeiten.
  • Fehleranfälligkeit: Manuelle Prozesse sind naturgemäß anfälliger für Fehler oder Missverständnisse. Trotz Erfahrung passieren Pickfehler, Etiketten werden falsch gelesen oder Bestände ungenau gezählt.
  • Kostenexplosion: Löhne, Energiepreise und Flächenkosten steigen kontinuierlich und erhöhen den Druck auf die Wirtschaftlichkeit. Ein Problem, wenn der Betrieb hauptsächlich von menschlicher Arbeitskraft abhängt.
  • Leistungsgrenzen: Menschen können nicht 24/7 arbeiten und brauchen Pausen. Wochenendarbeiten und Nachtschichten sind teuer, ermüdend und fehleranfällig.
    Ergonomische Belastung: Das ständige Heben, Bücken und Tragen führt zu gesundheitlichen Problemen, Ausfällen und hohen Krankheitsquoten.
  • Skalierbarkeit: Wächst das Auftragsvolumen stark, stoßen manuelle Prozesse rasch ans Limit.

Diese Faktoren sorgen dafür, dass viele Unternehmen über Alternativen nachdenken – sei es durch Teilautomatisierung oder den Schritt hin zum Dark Warehouse.

Wir stehen an einem Wendepunkt. Viele Unternehmen befinden sich aktuell in einer Übergangsphase. Sie setzen nach wie vor auf menschliche Arbeit, testen aber gleichzeitig Roboterlösungen, um einzelne Prozesse zu automatisieren. Die entscheidende Frage lautet: Wie lange kann das manuelle Lager den steigenden Anforderungen standhalten – und wann wird die Automatisierung unausweichlich? Eines ist klar, die vertrauten Lagerhallen mit Gabelstaplern und Mitarbeitenden werden nicht einfach verschwinden. Aber sie werden sich verändern, vor allem die Rolle des Menschen.

Sie haben Teil 1 und Teil 2 noch nicht gelesen? Dann reinklicken.

Dark Warehouse: Ist das die Zukunft des Lagers? (Teil 1)

Dark Warehouse: Was steckt dahinter? (Teil 2)

In Teil 4 werfen wir einen genaueren Blick auf den direkten Vergleich zwischen manuellem Lager und Dark Warehouse.

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Redaktion
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